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Mein Vater ist an Alzheimer gestorben, dies ist unsere Geschichte.

Mein Name ist Lejla ich bin in Bosnien und Herzegowina geboren und aufgewachsen. Mein Vater ist an Alzheimer gestorben, dies ist unsere Geschichte.

Mein Vater war Professor Doktor und Dekan der Philosophische Fakultät. Zusätzlich war er Direktor des Historisches Institut in Sarajevo. Mein Vater hat mehrere Bücher geschrieben, die auf viele Europäische Sprachen übersetzt wurden und im Geschichtsunterricht in Bosnien und Herzegowina eingesetzt werden. Während des Studiums bekam er ein Stipendium der Österreichischen Regierung. Er war ein Winner-Student und darauf war er stolz.

Ich erwähne das alles um aufzuzeigen wie wichtig für ihm die Kopf-Arbeit und sein Hirn war.1996 musste ich (18) mit meiner jüngeren Schwester (15) Bosnien wegen des Krieges verlassen. Meine Eltern wollten das wir in Sicherheit sind. Sie selbst sind jedoch in Sarajevo geblieben, für meinen Vater waren die Studenten und die gesamte Philosophische Fakultät sehr wichtig.

Für uns war es eine sehr schwierige Zeit, zum ersten Mal von Eltern getrennt zu sein.Ich selbst bin nie wieder nach Bosnien zurückgekehrt. Zuerst lebte ich in Deutschland und später in der Schweiz. Als «Touristin» besuchte ich meine Eltern und Schwester mehrmals im Jahr.

Trotzdem war unsere Beziehung immer sehr stark. Ich habe jeden Tag mit Ihnen telefoniert, so oft ich könnte besuchte ich sie und habe geholfen wo überall ich konnte.Meine Eltern waren mehr als 40 Jahre zusammen und ich kann mit Stolz sagen, dass wir eine glückliche Familie waren.

Eines Tages begann mein Vater sich anders als sonst zu verhalten. Er hat immer öfter etwas gesagt oder getan um im Anschluss alles abzustreiten. Er hat etwas gesucht und war der überzeugt, dass es ihm jemand weggenommen hat. Eines Tages hat er den Nachhauseweg nicht mehr gefunden. Früher haben wir oft zusammen Filme geschaut und er wusste alle Namen der Schauspieler jetzt plötzlich nicht mehr. Trotzdem habe ich es geliebt mit ihm Filme zu schauen.

An einem anderen Tag kam ein Autor zu uns nachhause, damit mein Vater eine Rezession für sein neues Geschichtsbuch schreiben könnte. Als der Autor sein Buch vorstellte ist mein Vater ohne Worte aufgestanden, in sein Arbeitszimmer gegangen und hat meine Mutter zu aller erstaunen mit ihm alleine gelassen. Beim verabschieden sagte der Autor nur: «Herr Professor sie sind verrückter als ich». Damals haben wir noch alle gelacht.

Einmal war meine Mutter mit ihre Schwester (die kurze Haare hat) vor dem Haus, mein Vater hat sie gesehen und nachher überzeugt behauptet, dass sie einen Freund hätte.Meine Mutter hat manchmal geweint und gesagt, dass sie so nicht mehr leben kann, aber trotzdem hat sie immer weiter gemacht, immer wieder Verständnis gezeigt.Niemand von uns hat an eine Krankheit gedacht, bis zu dem Moment, als der Assistent meines Vaters sich traute meiner Mutter zu sagen, dass etwas mit ihm nicht stimmt.Meine Mutter hat uns informiert, sie würde jetzt mit meinem Vater zum Arzt gehen. Sie wollten alle Untersuchungen machen um zu sehen was los ist. Während des Krieges in Bosnien und Herzegowina bekam mein Vater Diabetes. Er war überzeugt das diese Krankheit „schuld“ an seinem Zustand und verantwortlich für alles ist, was mit seiner Gesundheit zusammenhängt.

Nach mehreren gründlichen Untersuchungen hat ein Arzt die Diagnose Alzheimer gestellt.Ich kann dieses Gefühl, als mir meine Mutter es mitgeteilt hat, nicht richtig beschrieben. In diesem Moment war ich unendlich traurig, besorgt und gleichzeitig so leer.

Er hat nie bewusst erfahren das er an Alzheimer erkrankt ist. Damals war mein schlimmster Gedanke, dass ich einmal nachhause kommen werde und mein Vater erkennt mich nicht. Aber was später kam, war für mich viel schlimmer.Von Tag zu Tag zu sehen wie die Person, der Vater den ich so sehr liebe, verschwindet. Mental und psychisch. Das tut sehr weh.

Ich habe oft lange Gespräche mit meiner Schwester geführt. Wir haben beide nächtelang gegoogelt, aber voneinander versteckt was wir gefunden haben. Wir wussten alle welche Phase jetzt kommt, aber niemand hat es dem anderen erzählt. Wollten uns aber gegenseitig schützen.

 Ich habe gewusst, dass es keine Heilung gibt, aber wir mussten alles versuchen um Krankheit zu verlangsamen. Alle Medikamente, die wir von Ausland (meist aus der Schweiz) besorgt haben, konnten leider nicht helfen.

Meine Mutter wollte mein Vater unbedingt zuhause behalten, für sie kam ein Pflegeheim überhaupt nicht in Frage. Sie hat nachts ihre Hand an die meines Vaters gebunden damit sie ihn spüren würde, falls er in der Nacht aufsteht.Am 10-ten Tag konnte sie sich morgens nicht mehr losbinden. Mein Schwager müsste zu ihnen fahren und sie befreien.

Darauf hat der Arzt hat gesagt, dass mein Vater eine 24 Stunde Pflege braucht und er auf keinen Fall zuhause bleiben kann. Wir sollen uns jetzt mehr um meine Mutter und uns kümmern, weil diese Krankheit schlimm für ganze Familie ist. In diesem Moment habe ich nicht lang überlegt, habe zwei Monate unbezahlten Urlaub genommen, um mit meiner Familie zusammen zu sein und vor allem, damit ich meine Mutter zu unterstützen kann. Diese Zeit bedeutet mir sehr viel. Ich hatte das Glück, dass ich das tun konnte, einen Arbeitgeber hatte, der mich unterstützte.Wir haben beste Pflegeheim mit 24 Stündlicher Ärztlicher Betreuung in Sarajevo gewählt und mit viel Beziehung einen Platz bekommen. Wir mussten alle Medikamente, Kleidung, Windeln und das Essen selbst besorgen. Das gehört in vielen Ländern nicht zur Pflege.

Meine Mutter ist jeden Tag dorthin gefahren, hat meinem Vater essen gebracht, ihn geduscht, die Windeln gewechselt mit ihm Zeit verbracht. Trotzdem war sie die erste die er nicht mehr erkannte. Eines Tages sagte er zu meiner Mutter, bringe doch bitte das nächste Mal meine Frau Jasna mit. Manchmal lachten wir über seine Vergesslichkeit um gleich darauf zu weinen.

Am Schluss seiner Krankheit wollte ich ihm meinen neuen Ehemann vorstellen, zu all unserem Erstaunen konnte er an diesem Tag wieder Deutsch und hat mit ihm gesprochen. Wir mussten lernen seine lichten Momente zu geniessen und uns daran zu freue, wenn er sich an unsere gemeinsame Vergangenheit erinnerte. Mit Fünfzig hat er von einem Tag auf den anderen aufgehört zu rauchen, jetzt nach über 20 Jahren Nichtraucher wollte er plötzlich eine Zigarette. Wir haben sie ihm gegeben.Mein Vater hat sich an vieles nicht mehr erinnert aber eines ist immer gleichgeblieben, seine Manieren. Er ist bis zum Schluss aufgestanden hat die Hand gegeben um jemanden zu begrüssen, er wollte unsere Tragetaschen tragen, hat sein Essen anwesenden Personen angeboten um zu teilen.

Drei Jahre sind vergangen seit der Diagnose bis zum Tod meines Vaters. Seine Krankheit hat wahrscheinlich früher angefangen, aber niemand nahm es so ernst, wenn man ab und zu etwas vergisst. Heute bin ich aufmerksamer.

Was jedoch bis heute geblieben ist, ist das Andenken und die Liebe zu meinem Vater.

Tata ich liebe dich Deine lejlush.




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